Ein persönliches Erlebnis
In meinem letzten Mandat stellte ich eine verkorkste Marketingorganisation komplett um. Während eines Workshops bewertete der damalige Geschäftsführer meine Herangehensweise mit den Worten, dass ich mit glasklaren Analysen die Organisation vom Kopf auf die Füße gestellt hätte. Ich widersprach: Es war mein Gefühl, meine Intuition, die mich geleitet hatte. Der Geschäftsführer ließ sich jedoch nicht davon abbringen, und wir einigten uns schließlich auf „glasklaren Verstand“. Dieses Erlebnis zeigt, wie schwer es oft fällt, Intuition als wesentlichen Faktor in Entscheidungsprozessen anzuerkennen.
Was ist Intuition?
Intuition wird oft als eine Art „Bauchgefühl“ beschrieben – Entscheidungen oder Einschätzungen, die ohne bewusstes Nachdenken oder detaillierte Analyse getroffen werden. Sie basiert auf unbewusster Mustererkennung, gespeist aus Erfahrungen, Wissen und Emotionen.
Unser Gehirn spielt dabei eine entscheidende Rolle. Intuitive Entscheidungen werden im limbischen System getroffen, einem Bereich, der stark mit Emotionen, Erinnerungen und unbewusster Verarbeitung verknüpft ist. Hier werden Informationen blitzschnell ausgewertet und mit gespeicherten Erfahrungen abgeglichen. Dieses Vorgehen hat sich in der Evolution bewährt, da es uns in kritischen Situationen erlaubt, schnell und effektiv zu reagieren – etwa bei der Einschätzung von Gefahr oder der Entscheidung, eine Chance zu ergreifen.
Ein erfahrener Manager zum Beispiel erkennt intuitiv, ob ein Projekt Erfolg haben wird, weil sein Gehirn unzählige Ähnlichkeiten mit früheren Projekten wahrnimmt – oft ohne dass er dies konkret benennen kann.
Warum kann unser Gehirn das so gut? Es verfügt über eine unglaubliche Kapazität zur Mustererkennung. In alltäglichen Erfahrungen speichern wir ständig Eindrücke und Zusammenhänge, die uns nicht bewusst sind. Diese impliziten Daten werden unbewusst verarbeitet und stehen in Entscheidungsprozessen zur Verfügung.
Intuition vs. datenbasierte Entscheidungen
In einer Welt, die von Daten und Statistiken dominiert wird, erscheint Intuition oft als irrational. Doch Studien zeigen, dass intuitive Entscheidungen häufig genauso gut – wenn nicht besser – sein können wie datenbasierte. Das liegt daran, dass Intuition auf schnellen, unbewussten Verknüpfungen beruht, die aus langjähriger Erfahrung gespeist werden. Meist wird die Intuition mit heuristischen Methoden ergänzt, also die Intuition durch Problemlösungsmethoden untermauern, die praktische Erfahrungswerte und einfache Regeln nutzen.
Eine Studie des Instituts für Führung und Personalmanagement der Universität St. Gallen zeigt, dass Manager in komplexen Situationen mit hoher Unsicherheit oft bessere Ergebnisse erzielen, wenn sie auf ihre Intuition (und heuristischen Methoden) vertrauen, anstatt ausschließlich datenbasierte Analysen zu nutzen. Die Studie betont, dass intuitive Entscheidungen insbesondere dann überlegen sind, wenn schnelle Reaktionen erforderlich sind und Daten unvollständig oder mehrdeutig vorliegen (Quelle).
Geschwindigkeit: Intuitive Entscheidungen sind oft schneller, da sie ohne umfangreiche Analyse getroffen werden.
Praktische Stärke: Besonders in dynamischen Situationen oder bei Unsicherheiten bietet Intuition eine klare Orientierung, wenn Daten fehlen oder Zeit knapp ist.
Warum intuitive Entscheidungen oft gut sind
Intuition greift auf unser „implizites Wissen“ zurück – die Summe unserer Erfahrungen, die wir bewusst gar nicht abrufen können. Zum Beispiel erkennen erfahrene Führungskräfte Muster in komplexen Situationen schneller, weil ihr Gehirn bereits unzählige ähnliche Szenarien durchlebt hat.
Die Fähigkeit, auf die eigene Intuition zu vertrauen, scheint eher bei höheren Hierarchieebenen von Bedeutung zu sein. Oft nutzen diejenigen im Management großer Unternehmen oder in mittelständischen Firmen diese Fähigkeit, um visionäre oder unspezifische Entscheidungen zu treffen. Dennoch wird diese Intuition häufig nur im Stillen angewendet, ohne darüber zu sprechen. Dabei zeigt sich, dass Intuition und emotionale Intelligenz entscheidende Effekte auf den wirtschaftlichen Erfolg von Organisationen haben können.
Man spricht nicht gerne über intuitive Entscheidungswege. Warum eigentlich nicht?
Ein oft Henry Ford zugeschriebenes Zitat verdeutlicht dies: „Wenn ich die Menschen gefragt hätte, was sie wollen, hätten sie gesagt: Schnellere Pferde.“ Genau hier zeigt sich die Stärke der Intuition. Sie hilft uns, Bedürfnisse zu erkennen, die den Menschen selbst noch nicht bewusst sind, und ermöglicht es, über offensichtliche Lösungen hinauszudenken. Ford erkannte, dass das wahre Problem nicht ein schnelleres Pferd war, sondern der Wunsch nach effizienterer Fortbewegung. Dieses intuitive Verständnis führte zu einer revolutionären Innovation: dem Automobil.
Funktionen von Intuition im Managementkontext
Im Managementkontext erfüllen intuitive Fähigkeiten wichtige Funktionen, wie etwa die Problemlösung und Entscheidungsfindung, die Bewältigung von Komplexität, die Entwicklung neuer Ideen, ein gutes Gespür für das richtige Timing, die Gestaltung von Visionen für die Zukunft, die Pflege von Beziehungen, die Förderung von Synergien sowie die Fähigkeit, Wesentliches zu erkennen
Intuition ist keine Zauberei, sondern eine wertvolle Ressource in Entscheidungsprozessen. Sie ergänzt datenbasierte Ansätze und ist besonders in komplexen oder unsicheren Situationen von unschätzbarem Wert. Lernen wir, auf sie zu hören, gewinnen wir eine zusätzliche Kraftquelle für kluge und schnelle Entscheidungen.
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